Sprachen in der Schweiz
Im Jahr 2017 dolmetschte ich bei einigen Konferenzen in der Schweiz. Da in Deutschland bedauerlicherweise wenig über die Schweiz berichtet wird, möchte ich diesen Beitrag mit ein paar Zahlen und Informationen untermauern. Die Schweiz hat ca. 8,3 Millionen Einwohner. Zur Verteilung der Sprachen findet man auf den Internet-Seiten der Schweizer Eidgenossenschaft (1) folgende Informationen:
Für etwa 63% der Bevölkerung ist Deutsch die Hauptsprache. Dabei handelt es sich um ein Gemisch alemannischer Dialekte, die unter dem Begriff „Schweizerdeutsch“ zusammengefasst werden. Zwischen einzelnen Regionen gibt es bedeutende dialektale Unterschiede. Schweizerdeutsch ist keine Schriftsprache. Für den Schriftverkehr bedient man sich des Hochdeutschen.
Etwa 22,5% der Bevölkerung sprechen Französisch. Sie wohnen hauptsächlich im Westen, der sogenannten welschen Schweiz. Jede Region hat ihre Eigenheiten, dennoch weicht das Schweizer Französisch nur geringfügig vom Standardfranzösisch ab. Exemplarisch möchte ich die Zahlwörter nennen:
Zahl Schweiz Frankreich
70 Septante Soixante-dix
80 Huitante Quatre-vingt
90 Nonante Quatre-vingt-dix
Gerade beim Simultandolmetschen, wo man wenig Zeit hat, finde ich die kürzeren Zahlen, die näher an der deutschen Sprache sind, sehr praktisch.
Circa 8,1 % der Schweizer Bevölkerung haben Italienisch als Muttersprache. Sie leben hauptsächlich im Tessin und in den südlichen Teilen Graubündens. Rätoromanisch sprechen nur noch einige Zehntausend Personen (0,5% der Bevölkerung) in einzelnen Gegenden in Graubünden.
In Artikel 4 der Schweizer Bundesverfassung werden vier Landessprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch) bestimmt. Artikel 18 garantiert das Prinzip der Sprachenfreiheit, Artikel 70 definiert die Amtssprachen (Deutsch, Französisch und Italienisch). Alle amtlichen Texte des Bundes wie Gesetzestexte, Internetseiten, Broschüren, Gebäudebeschriftungen usw. müssen auf Deutsch, Französisch und Italienisch verfasst werden. Im Verkehr des Bundes kommt das Rätoromanische hinzu. In der Schweiz leben ca. 25% Migranten, die ebenfalls zur Sprachenvielfalt beitragen. Englisch und Portugiesisch sind die am häufigsten gesprochenen Fremdsprachen. Hinzu kommt, dass sich der Europa-Sitz der UNO und viele Nichtregierungsorganisationen, Verbände und kulturelle Organisationen, die Dokumente in verschiedenen Sprachen produzieren und einen hohen Bedarf an Dolmetschern haben, in der Schweiz befinden, was die sprachliche und kulturelle Vielfalt des Landes zeigt.
Wie erlebte ich die Mehrsprachigkeit bei meinen Einsätzen in der Schweiz? Auf jeden Fall sehr positiv. Die Vorbereitung auf eine Konferenz ist deutlich leichter als in Deutschland, da ich fast das komplette Material in meinen beiden Arbeitssprachen (Deutsch und Französisch) bekommen habe. Wenn ich weitere Informationen recherchieren musste, hat mir das Internet enorm weitergeholfen. Die meisten Webseiten sind mindestens dreisprachig, oft sogar viersprachig, so dass ich einzelne Begriffe exakt recherchierten konnte. In Deutschland verfügen selbst große Firmen nur über eine englische Version ihrer Webseite. Ganz selten findet man eine französische Übersetzung der Webseite.
Bei Konferenzen wird in der Schweiz aufgrund des hohen Bedarfs häufiger mit mobilen Personenführungsanlagen anstelle von Dolmetsch-Kabinen gearbeitet, da die Veranstaltungen oft kleiner sind. Manchmal kommen nur 3-5 Teilnehmer, die eine Verdolmetschung benötigen, aus einem anderen Kanton. Die Dolmetscher sind in diesen Fällen näher am Geschehen.
Gerne würde ich diese Eindrücke 2018 vertiefen und weiter darüber berichten.
(1) www.eda.admin.ch/aboutswitzerland/de/home/gesellschaft/sprachen.html